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2005 – Jahr der Emerging Church
Eins der Merkmale von 2005 war, dass Emerging Church sehr weite Kreise zog. Das lag wohl daran, dass alles in Deutschland einige Jahre später als im englischen Raum ankommt. Oder es waren die vielen Blogs, die dieses Jahr an den Start gingen. Oder die intelligenten Blogs und Posts zu EC. Oder das Buch von Dan Kimball, das dieses Jahr durch Gerth Medien erschien. Oder McManus, der salonfähig genug ist, um vom Bundesverlag in Mainstream-Wohnzimmer zu kommen und dort aufregendes Christsein zu pushen. Oder Langeweile. Oder Frust mit fertigen Modellen. Oder Hunger nach was Neuem. Oder wie Time Magazin es nannte: “2005 was the year we questioned authority”. Oder oder oder.
Warum habe ich mich dieses Jahr so mit EC beschäftigt, von dem ich nur halb überzeugt bin? Ich will definitiv dort sein, wo Gott gerade was tut. Das sieht oft in jeder Generation anders aus. Mich beschäftigt weiter, wie Glaube und Gemeinde in der Postmodernen Realität von heute aussehen kann. Nach diesem Jahr habe ich mehr Fragen als Antworten, was wahrscheinlich ein Kennzeichen der EC ist. Hier ist, was ich an der EC und der Diskussion darüber schätze:
- Ausdrücken, was gedacht wird. Viele Posts, Kommentare, Gedanken geben dem eine Stimme, was ich und andere bisher gefühlt haben, ohne es in Worte zu fassen. Mir geht das oft so bei Daves Predigten. Ich finde das auch persönlich das beste Kompliment nach Predigten.
- Gemeinschaft: geistliches Leben zu teilen ist eine der wichtigsten Aufgabe für Gemeinde in der Postmoderne. Only connect ist ein geiler Post dazu (aus Kester Brewin: complex christ). Wie können wir Leben miteinander teilen; wie kann die Form der Gemeinde aussehen, die das ermöglicht. Bisherige Modelle bleiben oft oberflächlich. EC ist da radikal, geht ans eingemachte. Was wahrscheinlich noch fehlt ist eine Theologie von Gemeinschaft, die dem ganzen Power für die Zukunft gibt. Joe Meyers Search to Belong hat gute Gedanken dazu. Robert Banks Paul’s idea of community oder Bruderhof-Veröffentlichungen oder Howard Snyder können gute Startpunkte sein.
- Simplicity: ein radikales Hinterfragen von allem ist ein weiteres Kennzeichen der EC. Indem man alle Praktiken hinterfragt, kann man die Krücken der Vergangenheit abwerfen und zu einer neuen Einfachheit des gemeinsamen Lebens zu gelangen. Einfachheit ist heute attraktiv und notwendig. Guter Post: What if we could do church any way we wanted?
- Inkarnation: Jesus kam und wurde Mensch und wohnte unter uns – das ist ein weiterer Schwerpunkt von EC. Wir wollen die Welt nicht dualistisch sehen (trennen in gut und böse), sondern holistisch ansehen (es gibt kein sekuläres Molekül im Universum). Also wird die Bibel in unsere Sprache übersetzt, wir überlegen, wie Glaube und Gemeinde den Alltag durchdringt, und welche Medien für Deutschland 2005 passen. Geiler Artikel von Reinhold: warum ich nicht um Erweckung bete.
- Die Vergessenen: EC hat einen starken Fokus auf Gruppen, die gerne vergessen werden oder sonst in Gemeinden keinen Raum finden. Ob Künstler oder Arme, Ausländer, Andersdenkende usw. Ich finde das immer wieder herausfordernd für mich selbst: man tendiert immer dazu, die Wärme der Gleichgesinnten zu suchen, als aus dem eigenen Kreis zu anderen zu gehen.
- Der Weg: der Prozess-Charakter des Glaubens wird betont (Jesus sagt: ich bin der Weg; nicht das Ziel); das gibt mehr Raum für unterschiedliche Erfahrungen, Unvollkommenheit, unterschiedliche Schwerpunkte usw. Im Pastoren-zentrierten Gemeindeleben ist der Glaubensschwerpunkt oft von den Konferenz abhängig, die der Pastor besucht, oder das Buch, das ihm gerade gefällt. Prozess bedeutet auch weniger drin-und-draussen, bzw wir-sie-Rhetorik.
Bei den positiven Punkten gibt es aber auch eine dunkle Seite der EC (bei der ich mich 100% mit einschließe). - Anti-Mainstream: viele EC-Leute halten sich ganz gern von großen Veranstaltungen oder populären Strömungen fern. Darin liegt auch die Kraft und Kreativität von vielen Inhalten und Ausdrucksformen der EC. Mir scheint aber manchmal diese Anti-Haltung zu krass. Was ist, wenn Gott durch den Mainstream wirkt? Was ist, wenn Gott alles verändern will, also auch die Anti-Haltung?
- Polemik: manche Posts sind fast wie politische Debatten. Man stellt die Nachteile der traditionellen Gemeinden dar und vergleicht sie mit den eigenen Stärken. Schattenboxen ist das. Wir-gegen-sie. Je extremer der EC-Ansatz, desto mehr Schattenboxen (siehe Depones Filmkritik oder Simpsons Gemeindekritik oder auch die ersten drei Kapitel aus Shaping of the things to come). Dazu habe ich kürzlich gelesen: „Whenever we exaggerate or demonize, or oversimplify or overstate our case, we lose“ (B. Obama in Time, Dec 26 2005). Zum Glück ist dieser schlechte Stil selten.
- Wir-sind-besser: obwohl die meisten, die sich mit Postmoderne und EC beschäftigten, wohl zustimmen, dass mehr Fragen als Antworten da sind, kommt man sich oft besser vor als Leute mit vielen Antworten. Diese Besser-Haltung kritisiert man oft bei den 7-Punkte-Predigern dieser Welt, hat aber im gleichen Moment die gleiche Einstellung. Die einzige Möglichkeit ist, dass wir uns immer wieder demütigen, als 100%-abhängig von Gott sehen und um Gnade für unseren Auftrag bitten, in der Postmoderne Gemeinde zu leben.
- Führung: Gibt es eine EC mit autoritärer Führung? Wahrscheinlich nicht. Über Mark Driscoll und seine ob sie EC sind, oder nicht. Die meisten wollen keine Führung oder flache Hierachien. Die Metapher dafür sind das unkontrollierte Internet, die Zusammenarbeit der Ameisen, scale-free networks“). Viele machen sich Gedanken darüber, ohne Lösungen zu haben. selbstlimitierend ist und in kleinen Gruppen bleiben wird. Ich glaube, die Bibel hat andere Vorstellungen. Statt Leitung zu hinterfragen, geht es um Unterordnung, auch wenn das nicht gerade populär ist. Da ist für mich die andere Frage: in wie weit kann sich EC für unpopuläre Dinge stark machen? (nicht unpopuläre in anderen Kreisen, sondern in den eigenen Reihen)?
- [update]: Bibel: in der EC wird manchmal die Bibel hinten angestellt. Man hat nette Theorien und versucht sie dann, in der Bibel wieder zu finden. Ich meine nicht, dass es immer direkt aus der Bibel kommen muss und danach die Erkenntnis folgt. Das wäre unrealistisch und passiert selten so. Aber es kann vorkommen, dass die biblische Seite etwas dünn ist.
Ich bin letztlich dankbar, 2005 bei diesen Diskussionen, Versuchen usw dabei gewesen zu sein. Sorry für diesen zu langen Post. Ich bin gespannt, was die Zukunft hält, vor allem für Projekt in Heidelberg. (images: evergreen)
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Schöner Beitrag, digger. Definitiv einer deiner Besten, weil gut ausgeglichen. Ich würde dir allerdings im Grundgedanken nicht zustimmen, dass 2005 das Jahr der Emerging Church war. Das mag vielleicht für uns gelten, aber 99,9% der Christen haben noch nie was von EC gehört. Das sollte man nie vergessen. Passiert mir allerdings ständig. Genauso wie bei Web 2.0, RSS und Blogs.
Hi Marlin
auf´m Firefox hat dein Blog bei mir einen Detsch, der seines interessanten Inhaltes unwürdig ist. (Auf´m I.E. alles okay.) Hängt irgendwie mit dem Bild zwischen Anti-Mainstream und Polemik zusammen. Da du es wert bist, gelesen zu werden ...
Ciao, haso
interessant ist, dass du mich nicht verstehst.